Eine Sucht liegt dann vor, wenn sich alles fast ausschließlich gedanklich und emotional rund um dieses eine Thema dreht – also, wie bei einer Drogensucht, die ständige Beschäftigung damit, sich das nächste als positiv empfundene Erlebnis zu organisieren. Wer also nicht mehr nur dann ans Essen denkt, wenn man Hunger hat oder einfach zwischendurch mal Appetit auf etwas Leckeres, kann eine Essstörung haben – das heißt, wenn Essen zwanghaft den Lebensalltag bestimmt. Damit meinen wir natürlich nicht die bewusste Ernährung zum Beispiel eines Profisportlers, der täglich mehrfach seine Kalorienwerte im Blick behält und bei jedem Essen auf entsprechende Nahrungsbestandteile achtet.
Neben den fortwährend kreisenden Gedanken ums Essen kommt bei einer Essstörung hinzu, dass man sich nicht wohl in seinem Körper fühlt: Entweder findet man sich viel zu dick, obwohl man nach dem Body-Mass-Index (BMI) und der Aussage von Eltern, Geschwistern und Freunden eine Top-Figur hat. Oder man hat wirklich das ein oder andere Kilo zuviel auf den Rippen, weiß das auch, wird aber ständig getrieben vom Wunsch nach Essen. Bei der Ess-Brechsucht versucht man sich wieder zu erbrechen, um dem Teufelskreis von Essensaufnahme und Gewichtszunahme zu entkommen. Oft merkt man gar nicht, dass damit erst der eigentliche Teufelskreis der Essstörung in Gang gesetzt wird und man seinem Körper vielleicht sogar bleibende Schäden zufügt.
Essstörungen treten besonders häufig bei Mädchen und jungen Frauen auf. Eine Studie des Robert Koch-Instituts zu Magersucht, Fett- und Ess-Brechsucht zeigte aber schon 2009, dass unter den 17.000 Befragten im Alter von 11 bis 17 Jahren 15 % der Betroffenen männlich waren. Die jugendlichen Vorbilder aus den Medien, YouTube- und Instagram-Stars, die Großen aus Musik- und Show-Business, sowie Top Models machen es vor: Schönheit ist für viele immer noch verbunden mit Kleidergröße XS.
Wenn du dich nun fragst, ob dein Verhalten oder das einer Freundin/eines Freundes eine Essstörung ist oder einfach nur ab und zu Heißhunger bzw. Appetitlosigkeit, kannst du die folgenden Fragen durchgehen. Welche kannst du mit einem klaren Ja, welche mit einem Nein beantworten?
- Geht es in meinem Leben und Alltag, in meinen Gedanken immer irgendwie ums Essen, um Ernährung, um meinen Körper?
- Fühle ich mich unwohl in meinem Körper – fühle ich mich z. B. zu dick?
- Widersprechen mir Menschen, die mir nahestehen, z. B. meine Familie, meine Freunde, vielleicht aber auch meine Lehrer, wenn ich ihnen sage, dass ich zu dick bin? (Das ist ein klares Zeichen für eine Körperschemastörung.)
- Betreibe ich mehr Sport am Tag als meine Freunde oder andere Gleichaltrige aus der Schule oder Ausbildung, die ich kenne? Gehe ich dabei vielleicht bis an den Rand der Erschöpfung?
- Lebe ich mit Hunger odr esse ich bis vielleicht bis zu einem unangenehmen Völlegefühl? Esse ich extrem viel, obwohl ich keinen Hunger habe oder esse ich absichtlich nichts, wenn ich großen Hunger habe?
- Suche ich nach Ausreden, wenn meine Familie bzw. Freunde mit mir zusammen etwas essen möchten? Sage ich z. B., dass ich schon gegessen habe? Oder gerade unter einer Magenverstimmung leide, um zu verheimlichen, nichts essen zu wollen, oder, weil ich mich wegen der Menge schäme?
- Verspüre ich nach dem Essen direkt ein schlechtes Gewissen? Nehme ich vielleicht sogar abführende Mittel aus der Apotheke ein oder muss ich mich erbrechen?
- Empfinde ich (vor allem nach dem Essen) Ekel mir selbst gegenüber?
- Vermeide ich beim Essen Fett bzw. Zucker oder überlege ich mir, wie viele Kalorien das Gericht wahrscheinlich hat – nämlich zu viele? Oder empfinde ich, was Kalorien betrifft, einen vollkommenen Kontrollverlusst?
Wenn du einige Fragen mit „Ja“ beantworten kannst, solltest du dich einem Experten anvertrauen mit dem Verdacht, dass bei dir oder deiner Freundin/ deinem Freund eine Essstörung vorliegen könnte. Der Experte kann ein Arzt oder ein Psychologe sein. Vielleicht sprichst du aber auch erst einmal mit einem Vertrauenslehrer oder einer -lehrerin, wenn du deine Eltern z. B. nicht ins Vertrauen ziehen möchtest. Auch als Angehöriger ist es nicht immer einfach mit einer Esssucht umzugehen, daher haben wir hier 8 Tipps für Angehörige zusammen gestellt.
Natürlich stehen auch wir als Gesundheitskasse mit Rat und Tat zur Seite: Wir haben bei der AOK Rheinland/Hamburg ein medizinisches Info-Telefon eingerichtet, das kostenfrei 24 Stunden am Tag an 365 Tagen im Jahr erreichbar ist unter 0800 0326326.
Unsicherheit kann ansonsten quälend sein. Und eine Essstörung kann gefährlich werden und ein ernst zu nehmendes Gesundheitsrisiko bedeuten. Stellt es sich heraus, dass wirklich eine Essstörung vorliegt, sollte man Hilfe annehmen – beispielsweise im Rahmen einer Selbsthilfegruppe, in der man andere Betroffene kennenlernt, die verstehen, was „Essstörung“ bedeutet und was man selbst erlebt. Wir haben ein Interview mit Lara geführt, die auch magersüchtig war und dies mit einer Therapie bekämpft hat. Ein Beispiel, wo man Hilfe finden kann: Der Verein Selbsthilfe bei Magersucht e. V. hat eine Datenbank mit Beratungsstellen in ganz Deutschland zusammengestellt.