Der Verlust eines geliebten Menschen und die damit verbundene Trauer ist ein Umstand, mit dem wir uns alle im Laufe des Lebens beschäftigen müssen. Das ist nicht einfach, denn Trauer kann sehr schmerzhaft sein und lange andauern. Wie die Phasen der Trauer nach einem Verlust üblicherweise verlaufen und wie man es schafft, wieder Mut und Zuversicht zu schaffen, hat uns Psychologin Dr. Julia Petmecky im vigozone Interview verraten.
Wie äußert sich Trauer?
Dr. Petmecky: Üblicherweise äußert sich Trauer in verschiedenen Phasen. Zunächst bekommt man eine Botschaft oder erfährt von einem Verlust, den man nicht hören oder nicht wahrhaben möchte. Das ist eine sehr normale Phase der Trauer. Man lehnt die Nachricht ab, verleugnet sie, lehnt sich dagegen auf und versucht für sich zu verhandeln und Ideen zu entwickeln, wie es anders sein könnte. Erst dann kommt man in Phasen von wirklicher Herabgezogenheit, in denen man sich sehr traurig oder depressiv fühlt und den Verlust in reinster Form verspürt. Danach – bei einer gelungenen Trauer – kommt man zu einer Phase, in der man den Verlust akzeptieren und in sein neues Leben einbauen kann, als Erinnerung an einen schönen Teil des Lebens, den man mit jemanden verlebt hat. Dabei wird nicht mehr nur der Verlust betrauert, sondern man lernt, damit ins Reine zu kommen und damit zu leben. Das kann natürlich einige Zeit dauern: Man sagt, bis zu einem Jahr, in dem man tatsächlich alle Dinge, die man sonst mit jemand Geliebten erlebt hat, alleine durchgestanden hat, wodurch sich das Leben sehr verändert.
Gibt es auch körperliche Symptome, in denen sich Trauer äußern kann?
Dr. Petmecky: Sicherlich in Schlafschwierigkeiten, in starken Gefühlen von Herabgezogenheit, was sich bei vielen auch auf den Appetit auswirkt und Magen-Darm-Probleme verursachen kann.
Kann Trauer auch richtig krank machen?
Dr. Petmecky: Trauer kann sicherlich krank machen, wenn die Trauer in einem Prozess oder in irgendeiner Phase „steckenbleibt“. Das passiert meistens dann, wenn der Trauernde sowieso schon unter großer Belastung steht. Oder auch, wenn das Verhältnis zu demjenigen, den man betrauert, schwierig oder kompliziert und die Beziehung von Schuldgefühlen oder von Konflikten belastet war. Dann sollte man sich in jedem Fall Hilfe suchen.
Wie schafft man es, die Trauer anzunehmen und damit umzugehen?
Dr. Petmecky: Eine gute Strategie ist immer, sich damit aktiv auseinanderzusetzen. Das heißt auch, mit anderen Menschen zu sprechen. Am besten mit Menschen, die in einer ähnlichen Situation sind oder denjenigen, den man verloren hat, auch kannten und damit ein bestimmtes Verständnis und ein Gefühl von Gemeinsamkeit entwickeln können. Sozialer Austausch ist sehr wichtig und auch sich selbst Zeit zu geben. Die Ruhe zu bewahren und Trauer als etwas Normales, zum Leben gehöriges anzusehen, ist sicherlich sehr hilfreich.
Wie erkennt man, dass man Hilfe benötigt, um die Trauer zu überwinden?
Dr. Petmecky: Normal ist sicherlich, dass immer wieder Gefühle von Verlust, Verzweiflung und Herabgezogenheit auftreten. Wenn man über Wochen hinweg kein Licht mehr am Horizont sieht, dann sollte man sich lieber früher als später Unterstützung suchen und davon absehen, sich mit Selbstmedikation zu trösten, wie Medikamenten, Alkohol oder ähnlichen Stoffen.
Wo findet man Hilfe?
Dr. Petmecky: In Trauergruppen, die von Bestattungsinstituten, aber auch in allen Städten und Gemeinden angeboten werden, oder auch sogenannten Trauercafés. Diese sind mittlerweile weit verbreitet und überall zu finden. Auch unter dem Stichwort Selbsthilfegruppen findet man sie. Wenn man es mit der Hilfe anderer und vor allem auch nach einer gewissen Zeit nicht schafft aus der Trauer herauszufinden, dann ist auch der Weg zum Psychotherapeuten angebracht oder erst mal zum Psychiater. Dieser führt dann eine genaue Diagnostik durch und stellt fest, ob eine Trauer, eine Depression oder etwas Anderes vorliegt.
Was kann man selbst tun, um wieder Mut und Zuversicht zu finden?
Dr. Petmecky: Sport und Bewegung an der frischen Luft ist eigentlich immer die beste Methode, um die Stimmung auch auf körperliche Weise wieder zu heben. Das ist auch bei Depressionen sehr hilfreich. Genau wie sich vor Augen zu halten, was man Schönes erlebt und bekommen hat. Wenn ich trauere, trauere ich nämlich um das, was mir fehlt. Es geht darum, das als Teil davon anzunehmen, was Gutes in meinem Leben war.