Jeder Mensch hat Angst. Das kann zum Beispiel die Angst vor dem Tod, die Angst vor Krankheiten oder eine allgemeine Zukunftsangst sein. Es handelt sich um ein Grundgefühl, das in unserer Natur liegt, unsere Sinne schärft und uns hilft, in Gefahrensituationen schnell zu reagieren. Häufig verschwinden diese Ängste wieder, doch manchmal benötigen Betroffene auch professionelle Hilfe, um ihre Angst überwinden zu können.
Angst bei Jugendlichen: Ist das normal?
Millionen Menschen in Deutschland, darunter zehn Prozent der Kinder und Jugendlichen sind jedoch von starken Ängsten betroffen, also von Ängsten, die über die normalen Entwicklungsschwankungen hinausgehen. Hier bekommt ihr deshalb einen Überblick über die Ursachen, Symptome und Folgen von Angst bei Jugendlichen, um der Frage nachzugehen, wann Angst haben normal ist und wann man etwas dagegen unternehmen muss. Denn mit der richtigen Thearapie lässt sich auch starke Angst überwinden. Diplom-Psychologin Dr. Julia Petmecky hat vigozone wichtige Fragen zum Thema Angst beantwortet.
1. Wovor haben Jugendliche Angst?
Das ist altersabhängig. Es ist ganz normal, dass Kinder und Jugendliche in der Entwicklung diverse Ängste entwickeln. Das sind meistens wechselnde Ängste. Wenn man von starken Ängsten spricht, gibt es drei große Felder: Die Trennungsangst, spezifische Phobien und die soziale Phobie. Trennungsangst kann Jugendliche bis ins junge Erwachsenenalter begleiten. Sie wird häufig von der Verlustangst der Eltern verstärkt, die sich viele Sorgen um ihr Kind machen und es nicht von sich weglassen möchten.
Bei Ängsten vor bestimmten Gegenständen oder Tieren, spricht man von einer spezifischen Phobie. Außerdem kann auch bei Kindern und Jugendlichen eine Agoraphobie, also Platzangst, auftreten. Die soziale Phobie ist relativ häufig und beinhaltet die Angst davor, mit anderen zu reden, sich zu blamieren, mit anderen in Kontakt zu kommen. Das liegt auch an Mobbing und Ausgrenzung. Außerdem gibt es eine generalisierte Angststörung, die in mehreren Lebenslagen auftritt und nicht auf etwas bestimmtes wie Schule oder Soziales bezogen ist.
2. Woher kommen die Angstzustände?
Man bringt biologisch eine Veranlagung zur Angst mit. Erzieherische und familiäre Faktoren oder großer Druck in der Schule gehören aber auch dazu. Was ebenfalls häufig mit Ängsten einhergeht, ist ein niedriges Selbstwertgefühl und ein negatives Selbstbild. Wenn man unsicher ist, wird man schneller ängstlich. Negatives Feedback von außen kann das schlechte Selbstwertgefühl verstärken. Das ist immer eine Kombination aus dem, was man selbst mitbringt und dem, was die Umwelt einem beschert.
3. Woran erkenne ich eine Angststörung?
Eine Angststörung sieht man auf drei Ebenen. Das sind die körperlichen Ebene, die kognitive Ebene, also die Gedanken, und das Verhalten. Die körperlichen Anzeichen sind zum Beispiel Herzklopfen, schwitzen, zittern, Kopf- und Bauchschmerzen, Übelkeit, Konzentrationsprobleme und Schlafstörungen, aber auch generelle Anspannung. Angst geht immer mit erhöhter Körperspannung einher. Die Gedanken dazu sind Abhängig von der Angststörung. Beispiele sind: Meinen Angehörigen passiert etwas Schlimmes, ich bin nicht gut genug, andere werden über mich lachen, der Hund wird mich beißen. Auf körperliche Symptome und auffälliges Verhalten zu achten ist besonders wichtig, weil man Angst nicht immer als solche erkennt. Wenn eine Person sich sehr zurückzieht oder aggressiv ist, kann das auch ein Zeichen von Angst sein.
4. Wann ist Angst normal und in welchem Fall muss ich etwas unternehmen?
Wenn Ängste besonders stark auftreten, wenn sie über mehrere Monate anhalten und vor allem, wenn sie die normale Entwicklung beeinträchtigen, dann spricht man von einer Angststörung. Ein dringender Behandlungsbedarf besteht, wenn Einschränkungen auftreten, die mich aus dem normalen Geschehen heraushalten: Wenn ich aus Angst nicht mehr zum Sportverein, zu Veranstaltungen oder zur Schule gehen kann.
5. Wo finde ich Hilfe und wie kann ich die Angst überwinden?
Ein Kinder- und Jugendpsychologe arbeitet meist verhaltenstherapeutisch. Das heißt, man bespricht zum einen die Ängste und versucht sie wieder in ein normales Maß zu bringen. Auch die Konfrontation mit den angstauslösenden Dingen gehört dazu. Das kann bei einer sozialen Phobie sein, dass man in einem geschützten Raum lernt auf andere zuzugehen. Es geht dabei immer um den Abbau von Vermeidungsverhalten und Aufbau von positivem Verhalten, um zu lernen, dass die Angst vor der Angst eigentlich das Schlimmste ist.
Wichtig ist, erst einmal einen Realitätscheck einzuholen und sich die Frage zu stellen: Habe ich tatsächlich mehr Ängste als andere? Wenn es tatsächlich so ist, dass die Ängste überhandnehmen, ist ein Psychotherapeut der geeignete Ansprechpartner. Eine vermeintliche Eigenbehandlung ist sehr gefährlich. Denn ängstliche Personen gewöhnen sich schneller an Substanzen wie Drogen oder Alkohol, mit denen sie ihre Spannungen für kurze Zeiträume lösen und so nur vermeintlich ihre Angst überwinden. Daraus kann schnell eine Anhängigkeit entstehen, wenn man zum Beispiel Alkohol trinkt, um auf einer Party lockerer zu sein.
Mit der richtigen Therapie sind Ängste jedoch sehr gut zu behandeln. Daher sollte man sich nicht scheuen professionelle Hilfe durch einen Psychotherapeuten in Anspruch zu nehmen.