Nicht alle Menschen sehen sich selbst als männlich oder weiblich an. Welche Geschlechtsidentitäten es gibt und wie man Personen genderneutral ansprechen kann.
Wenn Frauen schwanger sind, werden sie oft gefragt: „Na, was wird’s?“ Die Antwort ist meist easy: „Junge“ oder „Mädchen“, je nach dem. Wenn die Kinder dann im Laufe der Jahre älter werden, ist die Frage allerdings manchmal nicht mehr so leicht zu beantworten: Denn nicht jede Person mit Uterus sieht sich selbst als Frau an. Nicht jeder Mensch mit Penis definiert sich als Mann.
Obwohl man äußerlich vielleicht „typisch weiblich“ aussieht, fühlt man sich nicht als Frau. Tief drin weiß man: „ich bin was anderes“. Dieses Wissen um das eigene Geschlecht nennt man Geschlechtsidentität.
Noch nie von gehört? Bei vielen Leuten wird die Geschlechtsidentität nie zum Thema, weil von außen wie innen klar ist, „was“ Sache ist. Über Geschlechtsidentitäten wird meistens nur gesprochen, wenn sie von dem abweichen, was wir erwarten. Wenn zum Beispiel ein Bruno lieber lange Kleider tragen und sich schminken möchte, statt mit Bart und Holzfällerhemd rumzulaufen (Achtung, Klischeealarm!)
Im Englischen wird von Geschlechtsidentität als „gender“ gesprochen. Im Gegensatz dazu steht der „sex“ – also das biologisch definierte Geschlecht mit Fortpflanzungsorganen und Hormonen. Auch da geht es nicht immer ganz eindeutig zu. Was Intersexualität bedeutet, erklären wir hier.
Wie dieses innere Wissen um das eigene Geschlecht genau entsteht, weiß man nicht sicher. Die Geschlechtsidentität ist weder vorbestimmt noch festgelegt, sondern ein lebenslang wandelbarer Prozess. Ganz wichtig: Die Geschlechtsidentität kann und soll niemandem aufgezwungen werden.
Nicht zwei, sondern viele
Zum Gender gehört auch, dass sich nicht alle Menschen entweder als weiblich oder männlich definieren. Es gibt noch andere, nicht-binäre Geschlechtsidentitäten. Wie viele, lässt sich nicht sagen. Geschlecht kann man sich eher als breites Spektrum vorstellen, das sich irgendwo zwischen den beiden Polen männlich und weiblich bewegt. Es fühlt sich für jede Person anders an und ist mal mehr, mal weniger wichtig. Manche wollen sich auch keiner Kategorie zuordnen. Ein paar Beispiele dafür, wie Menschen ihre Geschlechtsidentität beschreiben:
- Genderqueer: Überbegriff für Menschen, die nicht in die geschlechterbinäre Norm (männlich vs. weiblich) passen.
- Genderfluid: Das Geschlecht fühlt sich fließend an und tendiert manchmal eher Richtung männlich, manchmal eher gen weiblich.
- Bigender: Es gibt zwei Geschlechtsidentitäten, die sich abwechseln oder gleichzeitig da sein können.
- Demigirl oder -boy: „Demi“ bedeutet halb – man ist als Demigirl also halb weiblich, als Demiboy halb männlich.
- Agender: Es gibt keine Geschlechtsidentität oder das Geschlecht ist für die Person nicht wichtig.
- Neutrois: Neutrales oder kein Geschlecht.
Die Sache mit den Pronomen
Er oder ihm, sie oder ihr sind die Pronomen für eine männliche oder weibliche Person. Wie spricht man aber Menschen an, die sich nicht als eins dieser beiden Geschlechter verstehen? Zuerst einmal: Dafür gibt es keine allgemeingültige Regel. Manche Menschen benutzen ausdrücklich „sie“ oder „er“, andere wünschen sich eine neutrale Variante. Eins kann man im direkten Umgang also immer machen: Nachfragen, wie eine Person angesprochen werden möchte. Das klärt alle offenen Fragen und vermeidet Missverständnisse.
Gerade auf Social Media sieht man auch vermehrt, dass Menschen in ihrer Bio schreiben, mit welchen Pronomen sie angesprochen werden möchten. Das sieht dann zum Beispiel so aus: „Max (sie/ ihr)“ oder auf Englisch „Max (she/ her)“.
Aus der LGBTQ-Community gibt es Bemühungen, eine Pronomen-Alternative einzuführen, die losgelöst vom Geschlecht funktioniert, also genderneutral ist. Offiziell existiert eine solche Form in der deutschen Sprache bisher nämlich nicht, im Englischen genauso wenig. Eine Idee im Deutschen wäre „xier“. Xier ersetzt „er/ sie“, „xiese“ wäre die neutrale Form für „seine/ ihre“ und „dier“ steht für „die/ der“.
Schweden ist in der Sache schon einen großen Schritt weiter: Neben „han“ („er“), „hon“ („sie“) gibt es seit 2015 die genderneutrale Variante „hen“. Studien zeigen, dass die Einführung des neuen Pronomens positive Effekte hat: Die gendergerechte Sprache führt dazu, dass Menschen weniger stark in traditionellen Geschlechterrollen denken und offener sind gegenüber Personen jeglichen Geschlechts.
Vorsicht, Verwechslungsgefahr!
Geschlechtsidentität ist nicht das gleiche wie Geschlechterrollen. Der erste Begriff beschreibt das, was du bist, als was du dich identifizierst. Der zweite beinhaltet die Erwartungen, die andere Menschen oder auch die Gesellschaft an dich aufgrund deines Geschlechts haben. Ein sehr klischeehaftes Beispiel: Mädchen tragen rosa und spielen mit Puppen, Jungs tragen blaue Kleidung und spielen mit Baggern und Autos. Ob es heute immer noch typische Männer- und Frauenberufe gibt, – und warum das für deine Berufswahl nicht wichtig sein sollte – haben wir hier einmal zusammengefasst.
Ganz wichtig ist übrigens immer, man selbst zu bleiben. Ganz nach dem Motto: Be you, be true. Das darf einem niemand nehmen. Wenn du unsicher bist, haben wir hier Hilfe für dich, dein Selbstbewusstsein zu stärken.
Hast du die Diskussionen um Geschlechterrollen schon einmal mitgekriegt und könntest du dir vorstellen, ein genderneutrales Pronomen in deine Sprache zu integrieren? Diskutier mit in den Kommentaren auf Instagram oder schreib uns eine DM!