Einfach nur häufig am Smartphone oder schon süchtig? Der Unterschied ist oft schwer zu erkennen. Wir haben die wichtigsten Warnzeichen für Handysucht – teste dich selbst!
Wer kennt’s? Der Wecker am Smartphone klingelt, du machst ihn aus und schaust, was nachts für Nachrichten reingekommen sind. Nur kurz versteht sich, schließlich musst du gleich aufstehen. Hier eine Sprachmemo beantworten, dort ein bisschen durch Instagram scrollen und ein paar Snaps anschauen. Jemand teilt dir ein TikTok-Video und eine halbe Stunde später merkst du, dass du echt spät dran bist.
In solchen Situationen ist es offensichtlich, dass man ein bisschen zu viel am Smartphone war. Aber hey, passiert – und negative Konsequenzen halten sich meist in Grenzen. Es gibt aber auch Momente, in denen die Handynutzung den Alltag viel stärker beeinflusst und man keine halbe Stunde, sondern Stunden verliert. Währenddessen bleiben Aufgaben für Schule und Arbeit oder im Haushalt auf der Strecke, der Kontakt zum besten Freund oder besten Freundin wird vielleicht auch weniger.
Smartphone-Nutzung wird immer mehr
Während der Corona-Pandemie ist die Nutzung von digitalen Medien und Geräten bei Jugendlichen deutlich gestiegen, das zeigen Statistiken. Besonders Tablets und Netflix-Streaming haben zugelegt. Kannst du das auch bei dir beobachten? Klar, während Lockdown und Kontaktbeschränkungen war bzw. ist es schwierig, soziale Interaktionen im echten Leben aufrecht zu erhalten. Digital gibt es da schon mehr Möglichkeiten. Manchmal ist es aber eine sehr fließende Grenze zwischen „ich bin viel an meinem Handy, um dort Unterhaltung und soziale Interaktionen zu haben“ und „ich bin zu viel an meinem Handy und vernachlässige darüber die Sachen, die mir eigentlich wichtig sind“.
Vor allem für Eltern ist es von außen schwer zu verstehen, was du da gerade eigentlich machst am Smartphone. Sie sind ohne digitale Medien aufgewachsen und können oft nicht nachvollziehen, warum man so viel Zeit damit verbringt. Sie machen sich schnell Sorgen und finden vielleicht nicht immer die richtigen Worte, um das auszudrücken. Unser Tipp: Genau das im Hinterkopf behalten und so den nächsten Streit um das Thema Smartphone vermeiden!
Zu viel am Handy – süchtig, oder was?
Erstmal vorneweg: Eine offiziell anerkannte Krankheit „Handysucht“ gibt es bisher noch nicht. (Anders ist es bei Videospielsucht, schau mal hier!) Und bis sich aus einer intensiven Nutzung eine krankhafte Sucht entwickelt, müssen wirklich mehrere Faktoren zusammenkommen. Im Folgenden wollen wir uns mal ein paar Punkte angucken, die unter Umständen als Warnzeichen gelten können.
Unterstützt hat uns dabei Kristina Tietze von der Drogenhilfe Köln. Bei ihrer Arbeit beschäftigt sich vor allem mit dem Bereich Online-Sucht. Sie definiert Missbrauch (z.B. von Substanzen oder wie hier vom Smartphone) so: „Ein Missbrauch entsteht dann, wenn eine Sache für etwas genutzt wird, für die sie nicht gemacht ist.“ Auf das Smartphone bezogen sollten beispielsweise die Alarmglocken schrillen, wenn man Erfolgserlebnisse, Anerkennung (zum Beispiel für schöne Fotos) oder soziale Kontakte nur noch über das Digitale bezieht.
Wie erkenne ich, dass ich ein Problem mit Handysucht habe?
Wichtig vorab: Wir stellen hier keine professionelle Diagnose, sondern geben dir nur Anhaltspunkte, um dein eigenes Verhalten aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Zum Aufwärmen ein paar Fragen – nimm dir gern einen Zettel und einen Stift und mache dir ein paar (ganz analoge) Notizen:
- Kannst du dich so intensiv mit Social Media oder Online-Spielen beschäftigen, dass du dich darin verlierst?
- Bist du unruhig, gereizt oder traurig, wenn du nicht am Smartphone sein kannst?
- Hast du schon mehrmals versucht, deine Handyzeit zu reduzieren und es nicht geschafft?
- Hast du noch andere Hobbys? Hast du den Spaß an anderen Unterhaltungsmöglichkeiten verloren?
- Hand aufs Herz: Nutzt du Social Media oder Online-Games, um Probleme aus deinem Alltag zu vergessen?
- Hast du Familie & Freund:innen schon einmal belogen, als es um den Umfang deiner Online-Aktivitäten ging?
- Bewertest du manche Ereignisse & Veranstaltungen sofort danach, ob sie Social-Media-tauglich sind?
Mehr „Ja“ oder mehr „nein“? Wenn du alles für dich verneinen konntest, bist du auf der sicheren Seite und musst dir eigentlich keine Gedanken machen. Wenn du dagegen bei einigen Fragen hängen geblieben bist, schau dir auf jeden Fall den Rest des Artikels an. Wir zeigen dir die wichtigsten Warnzeichen.
Warnzeichen #zeit
Kristina Tietze kennt die Warnzeichen im Alltag, wenn sich ein Suchtverhalten einschleicht. Ein wichtiger Punkt ist die Zeit, die man mit dem Smartphone verbringt. „Es gibt keine magische Zahl, die als fest definierte Grenze funktioniert – drüber wäre es Sucht, darunter nicht“, so Tietze. „Das funktioniert nicht, weil jeder Mensch natürlich auch anders ist.“ In der Suchtdiagnostik orientiert man sich ungefähr an einem Zeitrahmen von fünf Stunden.
➡️ Aufgabe: Schau in deinem Gerät nach, wie hoch deine Bildschirmzeit ist. Du findest das bei Apple unter „Einstellungen“ und „Bildschirmzeit“, bei Android unter „Einstellungen“ und der Option „Digitales Wohlbefinden“.
Ein weiterer Punkt bei der Zeit ist, dass sich diese oft steigert. Am Anfang geht vielleicht noch nicht so viel drauf, später ist man nur noch online.
➡️ Aufgabe: Schau bei deiner Bildschirmzeit, ob du im Verlauf der letzten Wochen/Monate einen Trend erkennst: Wird es mehr oder weniger?
Warnzeichen #digitalfirst
Schule, Freunde und Freundinnen, Hobbys – die echte Welt existiert weiterhin um dich herum, ist aber vielleicht nicht so interessant wie das, was online passiert. Diese Priorisierung kann schnell nach hinten losgehen: Nämlich dann, wenn du das reale Leben vernachlässigst. Du vielleicht keine Hausaufgaben mehr machst und stattdessen zockst, das Lernen auf „später“ verschiebst und dann beim Test merkst, dass es doch etwas zu spät war. Deine Freunde und Freundinnen hast du schon länger nicht mehr gesehen und bist auch nicht so richtig motiviert, dich zu verabreden. Wenn ihr euch seht, greifst du öfter zum Handy, als dich auf die Unterhaltung einzulassen.
➡️ Aufgabe: Denke an deine vergangene Woche: Was hast du unternommen? Hast du die Aufgaben erledigt, die du hättest machen sollen (in Schule, Job, zuhause)? Mach dir ein paar Notizen dazu und orientiere dich dabei am besten an den Wochentagen.
Warnzeichen #streit
Hattest du in letzter Zeit vielleicht öfter mal Streit wegen der Themen Smartphone, Zocken, Social Media – mit deinen Eltern, deinen Geschwistern oder Freundinnen und Freunden? Gab es Knatsch in der Schule mit deinen Lehrerinnen und Lehrern oder in Job bzw. Ausbildung deswegen? Wir haben es weiter oben schon erwähnt: Wenn sich Menschen Sorgen um dich machen und das Gespräch suchen, geht das schnell mal nach hinten los. Vielleicht ahnst du selbst, dass gerade irgendwas schief läuft bei dir und fühlst dich ertappt – damit konfrontiert, ist es oft leichter auszuteilen, als Fehler zuzugeben. Für Tipps zum konstruktiven Streiten klick mal hier.
Warnzeichen #kontrollverlust
Kein Problem, das Smartphone kann ich entspannt weglegen – ja oder nein? Wenn du diese Entscheidung nicht mehr so einfach und selbstständig treffen kannst, dann ist das ein Warnzeichen. Die Mediennutzung wird dann zum Problem und es sind eher die Medien, die Kontrolle über dich haben, statt umgekehrt.
➡️ Aufgabe: Stell dir folgende Frage: Könnte ich meine Social-Media-Apps jetzt eine oder zwei Wochen lang deinstallieren und nicht wieder anrühren? Sei ehrlich zu dir selbst!
Und nun?
Wie gesagt, wir führen hier keine professionelle Diagnose für Handysucht durch. Wenn du einige der Fragen mit „ja“ beantwortet hast und bei dir ein mögliches Problem erkennst, ist das schon ein erster wichtiger Schritt. Auf keinen Fall solltest du jetzt panisch werden. Halte einen Moment inne und überlege dir ganz genau, wann und wie du die digitalen Medien nutzt. Vielleicht gibt es schon kleine Sachen, die du in deinem Verhalten ändern kannst (z.B. zwischen Wecker klingeln und Aufstehen nicht das Smartphone nutzen).
Du wirst sehen: Dein Nutzungsverhalten zu ändern, wird dich glücklicher machen und dir die Möglichkeit geben, dein Leben wieder freier und nach deinen Wünschen zu gestalten.
Wenn du denkst, du kannst allein nichts ändern, dann suche dir auf jeden Fall Hilfe. Sprich mit Vertrauenspersonen in deiner Familie oder deinem Freundeskreis – zusammen werdet ihr sicher einen Lösungsansatz finden. Vergiss nicht: Es gibt auch immer die Möglichkeit, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Bei der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen findest du im Suchthilfeverzeichnis die nächstgelegene Beratungsstelle für dein Problem.
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