Das Einfrieren von Ei- oder Samenzellen soll jungen Menschen helfen, die wegen einer Krebsdiagnose möglicherweise keine Kinder mehr kriegen können. Wie eine sogenannte Kryokonservierung abläuft.
Ganz ehrlich, wer denkt schon mit 17 Jahren konkret über Familienplanung nach? Schule, Ausbildung oder Studium, Auslandsaufenthalt – in der Regel gibt es wichtigere Dinge, über die man sich den Kopf zerbrechen kann. Und das ja auch völlig zurecht. Laut Statistischem Bundesamt sind die meisten Frauen um die 30, wenn sie ihr erstes Kind bekommen, Männer sogar 33. Aus eurer Perspektive also noch Jahre hin.
Die Frage kann aber auch ganz plötzlich ins Spotlight rücken: Wenn etwa durch eine Krebs-Diagnose oder eine schwere Behandlung die Fruchtbarkeit gefährdet ist. Dann heißt es bereits mit 17 oder noch jünger: „Willst du Kinder? Wann? Wie viele? Wie stellst du dir dein Leben vor?“ Fragen, die sich schon unter normalen Umständen oft nicht einfach beantworten lassen – und das in einer Situation, in der sowieso gerade alles über einem zusammenbricht.
Kryokonservierung erhält die Fruchtbarkeit
Der Hintergrund: Erkranken junge Menschen an Krebs, sind die Heilungschancen in der Regel gut. Von den 18- bis 39-jährigen werden über 80 Prozent wieder vollständig gesund. Allerdings sind Chemotherapien oder Bestrahlungen oft sehr intensiv. Sie können Eierstöcke und Hoden sowie Eizellen und Spermien schädigen, was einen großen Einfluss auf die Fruchtbarkeit hat. Auch der Krebs selbst trägt seinen Teil dazu bei, etwa wenn er die Geschlechtsorgane angreift (z.B. bei Gebärmutterhalskrebs). Jährlich sind bis zu 11.000 Mädchen und Frauen und bis zu 22.000 Jungen und Männer von so einer Situation betroffen.
Der modernen Medizin sei Dank bedeuten so eine Diagnose und die damit verbundenen Therapien heute nicht mehr das Ende eines Kinderwunsches. Bei Frauen können Eizellen entnommen, eingefroren und zu einem späteren Zeitpunkt aufgetaut und befruchtet werden. Kryokonservierung heißt dieser Prozess; quasi Familienplanung, die auf Eis liegt. Auch Männer können Samen abgeben und diese tiefgekühlt für einen späteren Zeitpunkt aufbewahren lassen.
Wie funktioniert das?
Lebendige Organismen einfrieren, um sie nach Jahren wieder aufzutauen, klingt sehr nach Science-Fiction. Die sogenannte Kryokonservierung funktioniert aber tatsächlich: Vor über 20 Jahren wurde zum ersten Mal ein Kind aus einer eingefrorenen Eizelle geboren.
Für die Kryokonservierung bekommt die Frau zwei Wochen lang erst einmal Hormone gespritzt, um das Wachstum der Eizellen anzuregen. Normalerweise reift nämlich in jedem Monatszyklus nur eine heran – für die Kryokonservierung sollten aber möglichst viele vorhanden sein (etwa 10 bis 20). Die Eizellen werden bei einem kleinen Eingriff durch die Scheide entnommen und danach sehr schnell bei minus 196 Grad in flüssigem Stickstoff eingefroren. Sie lagern in Tanks, bis sie gebraucht werden. Dann läuft das ganze ab wie bei einer „normalen“ künstlichen Befruchtung.
Good News: Die Ergebnisse dieser Befruchtungen sind mittlerweile so gut, wie bei einer Kinderwunschbehandlung ohne das Einfrieren vorher. Eine 100-prozentige Sicherheit gibt es aber natürlich nicht – wie bei jeder Kinderwunschbehandlung.
Bei Krebserkrankten, die besonders jung sind, haben sich teilweise noch keine Ei- oder Samenzellen entwickelt. In solchen Fällen können auch ganze Eierstöcke oder Teile davon entnommen werden, um diese später wieder einzusetzen. Auch Hodengewebe kann bei Jungs vor der Pubertät für die Kryokonservierung genutzt werden. Was hier wichtig ist: In dem Gewebe dürfen sich auf keinen Fall Krebszellen befinden. Das ist bei manchen Tumorarten leider nicht immer eindeutig zu sehen.
Unterstützung durch gesetzliche Krankenkassen
Die Kryokonservierung ist keine günstige Angelegenheit, vor allem bei Frauen. Für den Eingriff selbst fallen etwa 2500 bis 4300 Euro an, die Lagerung kostet um die 300 Euro jährlich. Mittlerweile übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen aber die Kosten dafür, wenn jungen Menschen aufgrund ihrer Erkrankung oder der notwendigen Therapien Unfruchtbarkeit droht. Die erste Anlaufstelle, um eine mögliche Kryokonservierung zu besprechen, ist immer der oder die behandelnde Krebsarzt- oder -ärztin.
Übrigens: Auch bei gesunden Frauen lässt sich die Kryokonservierung natürlich durchführen. Ein Grund dafür könnte zum Beispiel eine Lebensplanung sein, bei der Kinder erst später reinpassen würden. In diesem Fall spricht man von „Social Freezing“. Die Kassen übernehmen keinerlei Kosten.
Auf einen Blick: Wie läuft eine Behandlung ab?
- Beratung: ein:e Spezialist:in für Fruchtbarkeitsmedizin bespricht mit euch die möglichen Optionen
- Bei Frauen: Laboruntersuchungen im Vorfeld der Eizellentnahme (gibt es möglicherweise Infektionen?), Hormonbehandlung (um die Produktion von Eizellen anzuregen), Bestimmung der Hormonspiegel, Ultraschalluntersuchungen, Entnahme der Eizellen
- Bei Männern: Gewinnung, Untersuchung und Aufbereitung der Samenzellen (ab der Pubertät); falls erforderlich auch die Entnahme von Hodengewebe, um daraus später Spermien zu gewinnen
- Einfrieren (Kryokonservierung) der Ei- und Samenzellen, auch die Lagerung ist inklusive
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