Laura (17) hat erlebt, wie eine Mitschülerin gemobbt wurde, und sie hat nicht wegschaut. Im Interview mit vigozone erzählt die Schülerin aus Hamburg, wie sie Zivilcourage gezeigt hat.
Laura, du hast in einem Blog einen Text über Zivilcourage gepostet, weil es dich ärgert, dass kaum einer Mobbing-Opfern hilft. Du hast dich anders verhalten. Was ist denn an eurer Schule passiert?
Das war im letzten Jahr. Eine aus meiner Klasse ist total schüchtern. Die ist ganz nett, hat aber nicht viele Freunde. Ich weiß nicht, warum. Naja, und irgendwann haben die anderen angefangen, über sie herzufallen.
Was heißt das?
In der Klasse kamen ständig Sprüche, dass stille Wasser tief sind und die Sarah heimlich auf den Strich geht. Ich weiß nicht, wer auf die bescheuerte Idee gekommen ist. Bei Facebook hat dann irgendeiner eine Seite gebaut mit Collagen, wo Sarahs Kopf auf nackte Körper montiert war. Und dann gab es plötzlich die Gruppe „Wer hat Sarah schon gebumst?“. Echt heftig.
Wie hast du das überhaupt mitbekommen?
Naja, in der Schule habe ich es natürlich gehört, und ein Junge aus meiner Klasse hat mir den Facebook-Link geschickt, weil er das wohl witzig fand.
Wie hat Sarah auf all das reagiert?
Ich weiß es nicht genau. Sie redet ja nicht viel. Aber sie ist nur noch in die Klasse gehuscht und dann schnell wieder weg. Sie hat mir echt leid getan.
Was hast du dann gemacht?
Erst mal gar nichts, muss ich gestehen. Ich habe zwar nicht mitgemacht, ich hatte aber auch ein bisschen Schiss, mich einzumischen. Ich dachte, ich bin dann das nächste Opfer. Dann hat mir eine Freundin, die bei Sarah in der Nähe wohnt, erzählt, dass die gar nicht mehr aus dem Haus geht. Und irgendwie habe ich dann gedacht, wie scheiße das ist. Die wird richtig fertig gemacht und hat doch niemanden was getan. So ein Mensch will ich nicht sein – der einfach so tut, als ginge ihn das nichts an. Ich habe dann erstmal mit meinen Eltern darüber gesprochen, und die haben bei Sarahs Eltern angerufen. Die wussten das nämlich gar nicht und haben unsere Lehrer alarmiert.
Ist es dadurch besser geworden?
Ein bisschen. Ein paar Leute haben aufgehört, nachdem unser Klassenlehrer gedroht hat, alle von der Schule zu schmeißen, die bei so was mitmachen. Sarah war an dem Tag natürlich nicht da. Andere haben aber weitergemacht.
Und dann?
Ich war so sauer, dass die nicht aufhören. Mein Papa hat mir noch einen Vortrag über Zivilcourage gehalten und mir klar gemacht, dass man anderen beistehen muss. Das habe ich dann getan. Ich habe Sarah eine SMS geschrieben, dass alle wissen, dass die Geschichten nicht stimmen. Sie anzusprechen, habe ich mich nicht getraut. Als ich das nächste Mal in der Schule mitbekommen habe, wie ein Junge gesagt hat, die Sarah hätte „die Preise erhöht, weil sie jetzt nur noch Lehrer bumsen will“, bin ich geplatzt. Ich habe ihn vor versammelter Mannschaft angeschrien, wie dumm er eigentlich ist, ob er will, dass sich die Sarah seinetwegen noch umbringt?!
Wie hat er reagiert?
Gar nicht. Der war total baff. Später hat er was gesagt, von wegen „Laura macht wohl auch die Beine breit“, aber da ist keiner drauf eingestiegen, weil ich mit den meisten Leuten gut klarkomme. Bei Facebook habe ich dann eine Gruppe gegründet: „Wir hassen Sarah-Mobber“. Das war soooo cool! Es sind ganz viele Leute beigetreten, und dann habe ich Sarah den Link geschickt!
fotolia.de/Robert Kneschke
Das klingt fast einfach.
War es aber nicht. Ich hatte schon Angst, dass die dann auf mich losgehen. Ich glaube, es war gut, dass die so übertrieben haben, dass auch andere gedacht haben, dass es zu weit geht.
Hast du mit Sarah mal über die Sache gesprochen?
Ne. Sie lächelt mich jetzt immer an, wenn wir uns sehen. Aber ich glaube, das Ganze ist ihr ganz schön peinlich, ich will sie nicht noch drauf ansprechen.
Hat sie denn noch Stress mit den anderen?
Gar nicht. Sie ist immer noch viel für sich allein, aber die anderen reden jetzt mehr mit ihr. Ich glaube, viele haben ein schlechtes Gewissen.
Was hast du denn aus der Sache gelernt?
Ich würde nicht mehr so lange warten, bis ich mich einmische.
Ihr kennt auch jemanden, der gemobbt wird? Dann zeigt Zivilcourage! Ihr könnt euch auch anonym an Lehrer oder Eltern wenden oder euch als Zeuge melden. Hier findet ihr mehr Anti-Mobbing-Tipps.