Die gleiche Situation kann von verschiedenen Menschen unterschiedlich wahrgenommen werden. Personen, die ihre Umwelt besonders intensiv erleben, nennt man hochsensibel.
Hochsensibilität: Was ist das?
Ein voller Bahnsteig: Es ist laut, Menschen stehen dicht gedrängt, manche hören Musik, andere telefonieren, einige wirken traurig, andere fröhlich, ein Mann beißt genüsslich in seinen Döner, dann fährt der Zug in den Bahnhof ein. Eigentlich ein ganz normaler Tag.
Diese alltäglichen Situationen wie volle U-Bahnen, laute Musik oder Essensgerüche können für Hochsensible jedoch sehr anstrengend werden. Auch Gefühle und soziale Situationen wie Angst, Stress, Ungerechtigkeit sowie Unfreundlichkeit werden häufig stärker wahrgenommen. Nicht nur die eigenen Gefühle werden dabei intensiver gespürt, sondern auch die Stimmung anderer. Gruppenarbeiten oder Geburtstagsfeiern mit vielen Menschen werden für Hochsensible daher schnell stressig. Hochsensibilität kann sich jedoch von Mensch zu Mensch in der Intensität der einzelnen Bereiche unterscheiden. Manche nehmen zum Beispiel Gerüche besonders stark wahr, andere Geräusche oder optische Eindrücke.
Das Gebiet der Hochsensibilität ist wenig erforscht. Hochsensible Menschen nehmen Sinnesreize und Emotionen viel stärker wahr als andere. Die bisherige Forschung geht davon aus, dass Bereiche im Gehirn, die Sinnesinformationen verarbeiten, bei Hochsensiblen besonders aktiv sind. Informationen aus der Umwelt werden vom Hirn weniger gefiltert, weshalb sie mehr Reize zu verwerten und zu verarbeiten haben als andere Menschen. Dadurch fühlen sie sich früher überlastet.
Was bedeutet es, hochsensibel zu sein?
Ihre Hochsensibilität wirkt sich auf den Alltag der Betroffenen aus. Sie brauchen mehr Ruhe als andere Menschen und meiden Situationen, die für sie besonders anstrengend sind, finden dafür aber meist nur wenig Verständnis. Hochsensibilität wird häufig mit Schüchternheit verwechselt. Die Tendenz dazu, sehr empfindlich zu reagieren, wird eigentlich Neurotizismus genannt. Neurotische Menschen sind häufig ängstlich, unsicher und können weniger gut mit Stress umgehen. Es gibt jedoch hochsensible Menschen, die emotional stabil, aber trotzdem besonders sensibel sind, weshalb Neurotizismus nicht einfach mit Hochsensibilität gleichgesetzt werden kann, auch wenn es Überschneidungen gibt.
Bin ich hochsensibel?
Die Grenze zwischen normal sensiblen und hochsensiblen Menschen ist häufig nicht klar zu ziehen. Nicht jeder Mensch, der selbst denkt, dass er besonders sensibel ist, ist es auch. Umstrittene Selbsttests im Internet, die häufig Hochsensibilität diagnostizieren, unterstützen diesen Trend.
Wenn man sich von bestimmten Reizen wie Geräuschen, Gerüchen, Gefühlen und Stimmungen nicht nur in Einzelfällen, sondern dauerhaft überfordert fühlt, sollte man sich Rat bei einem Psychotherapeuten suchen. Hochsensibilität ist keine Krankheit und muss daher nicht therapiert werden, außer sie tritt im Zusammenhang mit einer psychischen Störung auf. Es gibt jedoch spezielle Beratungsangebote sowie Meditations- und Entspannungsübungen, die Betroffenen helfen, mit ihrer besonderen Empfindsamkeit besser umzugehen und Reize zu kontrollieren. Außerdem sind Stressvermeidung und ein starkes Selbstbewusstsein wichtig, um die eigenen Bedürfnisse nach Ruhe erkennen zu können.